Eiterfeld, 29.11.2010
60 Minuten lang sind sie die Stars: Nele und Nele. Mit ihren Trainerinnen sind die beiden Therapiehunde zu Besuch im Seniorenheim „Die Brücke“ – und bringen so manche Augen wieder zum Strahlen.
Erhard Ziegler spricht ganz leise, die Stimme klingt fast zerbrechlich. Aber seine Augen leuchten. Denn zwei Hundedamen haben im Sturm das Herz des 77-Jährigen erobert. Es sind Nele und Nele. Zwei Therapiehunde, die zufällig den gleichen Namen tragen und den Bewohnern des Seniorenheims „Die Brücke“ in Eiterfeld an diesem Nachmittag doppelte Freude schenken. Die dreijährige Nele, ein Golden Retriever, gehört zu Andrea Oehling aus Wehrshausen, die vierjährige Nele, ein Labrador, zu Elisabeth Ritz aus Oberlengsfeld.
Elisabeth Ritz und Andrea Oehling haben mit ihren Vierbeinern vor anderthalb Jahren an einer speziellen Schulung des Deutschen Roten Kreuzes in Schenklengsfeld teilgenommen. In dem Kurs, geleitet von Gudrun Ernst, werden die Hunde darauf trainiert, in dichten Menschengruppen Ruhe zu bewahren und auch die eine oder andere ruppige Handbewegung ohne Gebell oder Knurren zu tolerieren. Seither sind Andrea Oehling und Elisabeth Ritz ehrenamtlich mit ihren treuen Begleitern in Senioren- und Kinderheimen, Hospizen, Krankenhäusern sowie Behinderteneinrichtungen unterwegs. Heute sind sie zum sechsten Mal in Eiterfeld zu Besuch.
Erhard Ziegler bereiten die Hunde große Freude. Seit einem Schlaganfall sitzt der 77-Jährige im Rollstuhl. Nun wohnt er vorübergehend in dem Heim. „Als Jäger hatte ich früher einen Deutsch- Kurzhaar“, erzählt er und streicht Nele über das samtweiche Fell. Diese lässt sich die Zärtlichkeiten gern gefallen. „Das hier sind richtig schöne Tiere“, lobt Ziegler.
„Es geht darum, motorische und geistige Fähigkeiten sowie das Sprachvermögen der Senioren zu fördern, ja, Resourcen zu reaktivieren“, erklärt Elisabeth Ritz. So sei es schon ein Erfolg, wenn ein Bewohner seine Hände öffnet und schließt. „Mit der Therapie wollen wir die Menschen von ihren Schmerzen ablenken“, so die Trainerin. Wenn ihr oder der Kollegin manchmal die Worte fehlten, kämen sie über die Tiere mit den Leuten in Kontakt. „Sie sind tolle Brückenbauer“, bringt die 46-Jährige es auf den Punkt und ergänzt: „Die Hunde sind vorbehaltslos, ihnen ist es egal, wie jemand aussieht oder riecht.“
Eine wichtige Eigenschaft, denn viele der rund 20 Bewohner im Raum sprechen wenig oder gar nicht, sind dement, an den Rollstuhl gebunden oder gar erblindet. „Man muss sich immer wieder neu auf die Menschen einstellen, schauen, was jeder Einzelne kann“, beschreibt Elisabeth Ritz die Herausforderung der Therapietätigkeit. Grundsätzlich sei jeder Hund dafür geeignet, wenn er eine ordentliche Erziehung erhalten habe, keine Tendenz zur Aggressivität zeige und einen Grundgehorsam besitze. Des Weiteren gehörten eine starke Menschenbezogenheit, Kontaktfreude und Motivation zur Grundvoraussetzung.
„Sie sind tolle Brückenbauer“
Eine Bewohnerin sei 102 Jahre alt und für kaum mehr etwas zu begeistern, berichtet Melanie Hartmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Seniorenheims. „Aber sobald die Hunde da sind, leuchten ihre Augen.“ Doch nicht jeder Bewohner geht so liebevoll auf die tierischen Besucher ein. Manche schauen skeptisch, haben Angst oder hauen im Affekt auch mal zu. Deshalb behalten die Trainerinnen die Hunde ständig im Auge – auch, um festzustellen, ob das Tier vielleicht überanstrengt wird. „Dann wird der Besuch beendet, denn das Wohl des Hundes steht im Vordergrund“, erklärt Elisabeth Ritz.
Für Christina Möller und Maria Klüber sind die beiden Vierbeiner zweifelsohne die Stars an diesem Nachmittag. Freudig bürstet Christina Möller Neles Fell und schwärmt: „Wenn ich zu Hause wäre, hätte ich noch heute einen Hund.“ Früher sei sie Besitzerin eines Spitzes gewesen, so die 88-Jährige. Herrlicher Trubel entsteht, als Elisabeth Ritz der alten Dame eine Froschfigur auf die Schulter legt, die Nele sich holen soll. „Den küssen wir heute noch“, ruft Christina Möller mit Blick auf den grünen Gefährten fröhlich. Auch Maria Klüber muss an früher denken, wo einst ihr Schäferhund sie begleitete. Jetzt lockt die 78-Jährige die beiden Hundedamen mit einem Ball und füttert sie anschließend mit Leckerlis.
„Es ist schön, wenn wir bei den Bewohnern Empathie wecken und Erinnerungen wachrufen“, erklärt Elisabeth Ritz. Man solle aber auch bedenken, dass die Tiere nicht immer Wunder vollbringen können, erklärt die Therapeutin. Manchmal dauere es sehr lange, bis ein Bewohner auf das Tier anspricht. „Aber wenn es gelingt, jemanden für einen Moment aus seiner Welt herausholen, erlebt man ein echtes Gänsehautgefühl.“
Quelle: Fuldaer Zeitung